Die Auswahl aus gesellschaftlich relevanten Themen ist in der politischen Bildung mit Webvideo eine wichtige Grundlage für erfolgreiche Bildungsprozesse. Es bedarf gut begründeter Entscheidungen dafür, welche Themen zum Gegenstand genommen und auf welche Art und Weise sie angesprochen werden. Diese Entscheidungen sollten auf der Basis eines pluralistischen Denkens und Handelns getroffen werden und ihre eigenen Grundlagen offenlegen. Das Politische der Themen sollte in einem weiten Sinne verstanden werden, d.h. das Individuum und die Gesellschaft betreffend und nicht beschränkt auf institutionalisierte Politik. Auch Veganismus kann in diesem Verständnis ein politisches Thema sein, unabhängig davon, ob es gerade institutionell diskutiert wird oder einfach im Rahmen des persönlichen Interesses relevant ist. Letztlich ist ein Thema dann gesellschaftlich relevant und damit politisch, wenn sich aus der Debatte um das Thema ein öffentliches Interesse ableiten lässt.
Die folgenden Punkte können für die Themenwahl und -behandlung sowohl bei Bildungsprojekten als auch beim Erstellen von Webvideos im Kontext politischer Bildung als Orientierung dienen.
Werte und Vielfalt
Bei der Arbeit im Rahmen von Bewegtbildung sollte man sich der Normativität der eigenen Position auch bei der Themenwahl für ein Bildungsprojekt oder ein Webvideoprodukt bewusst sein und diese Normativität transparent machen. Transparenz ist generell wichtig: Es sollte einem Publikum von Webvideos oder Teilnehmenden von Bildungsprojekten klar werden, warum bestimmte Inhalte gewählt wurden und wie sich das Projekt dabei verortet. Auch sollte die eigene →Haltung selbstreflexiv hinterfragt werden. Es ist wichtig, zu verstehen und einsehbar zu machen, aus welcher Perspektive auf ein Thema geblickt wird. Möglicherweise wird ein Thema aus einer privilegierten Perspektive heraus behandelt, die sich von anderen, gleichwertig wichtigen, aber marginalisierten Perspektiven unterscheiden kann. Dies sollte dann ausgesprochen werden.
Es sollte im Blick behalten werden, auf welche Art und Weise Themen in gesellschaftlichen Diskursen ausgehandelt und kommuniziert werden, ob z. B. Genderdiversität mitgedacht wird, ob sich darin Elemente strukturellen Rassismus finden oder ob andere Benachteiligungen und Ungleichbehandlungen erkennbar werden, die die Menschenwürde verletzen. Tierrechte und Naturschutz gilt es ebenso zu berücksichtigen. Falls sich problematische Aspekte im Diskurs finden, sollten sie auch in Webvideos und Bildungsprojekten zur Sprache gebracht werden. Insgesamt ist ein pluralistisches Denken und Handeln wichtig. Es sollte Perspektivenvielfalt zugelassen und als Bereicherung angesehen werden, solange sie nicht verletzend gegen Individuen oder Menschengruppen ist.
Angemessene Einordnung von Quellen und Sachverhalten
Quellennachweise sollten unbedingt geführt werden und sind Grundlage bei der Erstellung von Webvideos sowie der Durchführung von Bildungsprojekten. Die Güte der Quellen muss bewertet werden können; gerade bei kontroversen Themen sind sorgfältig argumentierende, solide Belege wichtig. Bei der Einordnung von Quellen sollte auch klar unterschieden werden, wo belegbare Fakten und wo Meinungen wiedergegeben werden. Fakt und Meinung sollten als solche kenntlich gemacht und klar voneinander getrennt werden. Wo Fakten oder auch Meinungen vorhanden sind, sollten sie zudem wahrheitsgemäß wiedergegeben werden, sofern das nicht die Menschenwürde verletzt oder eine entsprechende Verletzung rechtfertigen würde.
Umgang mit Kontroversität und wahrscheinlichkeitsbasiertem Wissen
Kontroversität liegt dann vor, wenn es mit sinnvoll argumentierenden, die Würde von Mensch, Tier und Umwelt achtenden Gründen unterschiedliche Positionen zu einem Thema gibt, die nicht eindeutig als richtig oder falsch zu kategorisieren sind. Das kann beispielsweise bei Fragen nach Contentfiltern im Netz der Fall sein, bei Fragen nach den Chancen und Risiken von Social Media, bei der Frage nach einem geeigneten Mindestalter beim Wahlrecht oder bei Fragen rund um genmanipulierte Lebensmittel. Sofern Kontroversität auftritt, sollte sie anerkannt und berücksichtigt werden. In Bewegtbildungsprojekten sollte sie zum Ausdruck kommen und ausgehandelt werden. Gerade gut begründete und Würde achtende Positionen, die unbekannt sein könnten, sollten sichtbar gemacht, diskutiert und eingeordnet werden.
Anerkannt werden sollte zudem die Tatsache, dass Wissen in vielen (nicht allen) Bereichen kontingent ist, das heißt, nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit als gültig angesehen werden kann. Das meint hier, dass es zu manchen Fragen wissenschaftliche oder journalistische Belege gibt, die zwar bestimmte Antworten nahelegen oder Thesen stützen, aber diese Antworten und Thesen können nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit als gültig angesehen werden. Sie gelten also nicht als unumstößlich gesichert. Sofern sich in weiteren Forschungen solide Belege finden, die einer These widersprechen, darf diese nicht mehr mit der gleich hohen Wahrscheinlichkeit als gültig angenommen werden wie zuvor. Beispiele hierfür sind etwa Zukunftsprognosen.
Einordnung und Anwendung von Themen
Themen sollten in Bezug auf die Zielgruppe lebensweltnah gewählt und behandelt werden (→Zielgruppenorientierung). Auch ist es wichtig, dass durch Webvideos und Bildungsprojekte nicht lediglich Sachwissen vermittelt wird, sondern in Bezug auf Themen auch Kompetenzen geschult werden, z. B. Kompetenzen im Umgang mit Fake News oder Hatespeech bis hin zur Befähigung zu eigenen Webvideoproduktionen.
Zusätzlich sollte Orientierungswissen vermittelt werden, um Themen einordnen zu können. Es stellt sich also immer auch die Frage: Was sind die Kontexte, in denen die jeweiligen Themen stehen? Kritisch-emanzipatorisch gedacht bedeutet das beispielsweise, dass Machtverhältnisse in Bezug auf Themen grundlegend Betrachtung finden sollten; gesellschaftspolitische Positionen und Rahmenbedingungen sollten nicht als gegebene Größen verhandelt werden, sondern als gemachte und wirksame, aber durchaus gestalt- und veränderbare gesellschaftliche Fragen.
Tipps für die Themenwahl
Themen können aus unterschiedlichen Gründen Relevanz für politische Bildung mit Webvideo entfalten, beispielsweise weil sie aktuell gesellschaftspolitisch stark diskutiert werden oder bedeutende Wirkungen entfalten, wie z. B. im Fall einer akuten globalen Krise. Ein weiterer möglicher Grund für die Relevanz von Themen ist gegeben, wenn sie für sich genommen und dauerhaft gesellschaftspolitisch bedeutsam sind, wie etwa bestimmte Wertefragen zu Nachhaltigkeit oder zu Moralvorstellungen. Ebenso können Themen für die Teilnehmenden, ein Publikum oder Webvideoproduzierende besonders relevant sein, z. B. aufgrund der Interessenlage einer dieser Personengruppen. Zudem können Themen auch für den Projektrahmen von besonderer Relevanz sein, zum Beispiel weil sie sehr gut zu einem bestimmten bestehenden Webvideokanal passen, den Vorgaben einer Förderlinie in besonderem Maße entsprechen oder sich besonders gut in ein Schulcurriculum einfügen.
Projektverantwortliche von Webvideos oder Bildungsprojekten sollten sich vor Projektbeginn nach Möglichkeit gut über das betreffende Thema informiert haben. Dies bedeutet nicht, dass man Expert*in im jeweiligen Themenbereich sein muss, sondern lediglich, dass grundlegende Informationen recherchiert worden sind, um dann auftretende Fragen einordnen und weiter bearbeiten zu können.
Im besten Fall entscheiden die Projektteilnehmenden oder die Community bei Webvideoprodukten bei der Themenwahl oder Themenfokussierung mit (→ Partizipation). Das ist für Zielgruppen sehr motivierend und oft ein wichtiger Bestandteil von anlass- und handlungsorientierten Bildungsprojekten und kann im Falle von Webvideoproduktionen das Engagement der Community verstärken.