Haltung ist ein Oberbegriff für Überzeugungen und Grundsätze, die das Denken und Handeln von Menschen maßgeblich beeinflussen. Sprechen wir im Rahmen von Bewegtbildung von politischer Bildung, so stellt sich die Frage nach der Transparenz der Haltung der Lehrenden bzw. Produzierenden.
In formalen und nonformalen Bildungssettings gilt es, sowohl die Haltung der politischen Bildner*innen als auch die im verwendeten Webvideomaterial ausgedrückte Haltung deutlich zu machen. Gerade mit Blick auf nonformale Bildungskontexte ist es wichtig, dass Webvideoproduzierende ihre Haltung nachvollziehbar machen, da hier keine Einordnung der Inhalte z. B. seitens Lehrer*innen geleistet werden und die Inhalte „für sich“ stehen. Durch Kontextualisierung der Inhalte, Klarheit der Perspektive sowie Überprüfbarkeit der Inhalte kann ihre Haltung transparent dargestellt werden. Hier kann der Beutelsbacher Konsens (Überwältigungsverbot, Kontroversitätsgebot, Handlungs- und Zielgruppenorientierung) nach wie vor Orientierung geben.
Kennzeichnung von Meinungen
Meinungen – verstanden als konkrete Ausformungen einer Haltung anhand eines bestimmten Sachverhaltes – sollten in Webvideos klar als solche gekennzeichnet werden.
Fakten und Meinungen sind oft schwer unterscheidbar, wenn Meinungen nicht deutlich gekennzeichnet werden und keine Klarheit z. B. einer journalistischen Perspektive vorhanden ist. Zuschauer*innen benötigen Kompetenzen und Hintergrundwissen, um Fakten und Meinungen voneinander unterscheiden, einordnen und verstehen zu können. Es kann aber nicht unbedingt vorausgesetzt werden, dass diese Voraussetzungen auch wirklich gegeben sind.
Durch eine eindeutige Sprachwahl (z. B. die Betonung „meiner Ansicht nach“) und Bildsprache kann Transparenz hergestellt werden. Das Medium Webvideo ist besonders meinungsfreudig, was entsprechend transparent gemacht werden sollte.
Wichtig ist in diesem Kontext, dass Zuschauer*innen die Möglichkeit erhalten, sich weiter mit ihrer eigenen Haltung auseinanderzusetzen, um sich eine Meinung bilden zu können. Die Kommentarfunktion bei Webvideoplattformen bietet in der Regel einen Rahmen dafür. Eine gute Moderation bzw. gutes Community-Management sind hierfür jedoch unerlässlich.
Die Algorithmen auf Plattformen im Social Web unterscheiden nicht per se zwischen Meinungen und Fakten. Plattformen wie YouTube erleichtern es durch ihre Algorithmen, Positionen mit ähnlichen Meinungen zu verstärken und sich im eigenen Denken bestätigt zu fühlen. Kommerzielle Plattformen verfolgen das Geschäftsmodell, dass Menschen auf diese Weise möglichst lang dort verweilen, um den Anteil der Werbezeit zu erhöhen. Durch Empfehlungen am Ende eines Videos oder automatisches Weiterabspielen gelangt man potenziell zu immer radikaleren Inhalten, wie Untersuchungen (vgl. Pascale 2017; vgl. Lobe 2018; vgl. Spielkamp 2018) belegen. Durch diesen Effekt kann es im schlimmsten Fall zu einer Selbstradikalisierung kommen. Deshalb kommt Creator*innen von Webvideoinhalten eine besondere Verantwortung zu, Meinungen zu kennzeichnen, damit User*innen auch vom Algorithmus vorgeschlagene Inhalte besser für sich einordnen können.
Meinungsstärke und Kontroversitätsgebot
Meinungsstärke verhilft Webvideos oft zu Anerkennung und Breitenwirkung. Allerdings fordern meinungsstarke Creator*innen entsprechend mündige Zuschauer*innen. Damit einher geht eine hohe Verantwortung von Creator*innen. Es gilt, Kontroversität herzustellen, gerade in formalen Bildungssettings. Kontroversität bedeutet hier: Themen, die in der Gesellschaft, Politik und Wissenschaft umstritten diskutiert werden, sollen auch in Webvideos kontrovers aufgezeigt werden. Es ist wichtig, unterschiedliche Standpunkte, Optionen und Alternativen aufzuzeigen und ein Thema aus verschiedenen Sichtweisen zu diskutieren. Damit soll ermöglicht werden, dass sich Zuschauer*innen ihr eigenes Urteil bilden können.
Verantwortung der Creator*innen gegenüber der (eigenen) Community
Creator*innen sollten ihrer Community nicht ihre Meinungen aufzwingen oder sie für ihre eigenen Interessen instrumentalisieren (Überwältigungsverbot). Sie sollten sich immer wieder klarmachen, dass sie durch ihre Positionierungen, Aussagen und Meinungen einen zum Teil – je nach Zielgruppe ggf. unterschiedlich ausgeprägten – erheblichen Einfluss ausüben, da sie oft als Vorbilder wahrgenommen werden.
Eine demokratische Haltung schließt die Aufforderung zu Hass und Hetze aus.
Einbettung als Teil einer Bildungsumgebung
Webvideos können als Teil einer Bildungsumgebung genutzt werden und müssen nicht für sich allein stehen. Es ist sinnvoll, Konzepte zur Nacharbeit mit dem Webvideomaterial zu entwickeln und anzubieten. Je nach individuellen Möglichkeiten und Ressourcen bietet sich die Umsetzung eines Kanalkonzeptes an. Die Elemente dafür können sein:
- ein Kanaltrailer mit einem Einblick, was Zuschauer*innen auf dem Kanal erwartet;
- eine eigene Webseite zum Thema mit weiterführenden Informationen;
- Infokarten: Hier können weiterführende Informationen und Links aufgenommen werden;
- Endcards mit Meinungsklärung oder Positionierung (allgemein oder konkret zum aktuellen Video);
- Verlinkung externer Interviews;
- Q&A / interaktive Zuschauer*innen-Einbindung;
- Kommentare und Audience-Development.