Kriterium Reichweite

Häufig wird Reichweite als das Erfolgskriterium für die Arbeit mit Webvideo gesehen.

Reichweite kann zwar ein Kriterium für gelingende Bewegtbildung sein, in vielen Bildungsprojekten mit Webvideo ist Reichweite aber sekundär für das Erreichen des →Lernziels eines Projektes. Darunter fallen unter anderem Projekte, die nicht veröffentlicht werden können oder sollen, wie z. B. Webvideoprojekte im geschützten Raum oder im Freundeskreis der Teilnehmenden, und solche Projekte, die ihr Bildungsziel mit dem Moment der Veröffentlichung erreichen. Außerdem sind in Bildungsprojekten häufig wenige bis keine personellen und finanziellen Ressourcen vorhanden, um eine größere Reichweite von Webvideos zu generieren.

Bei der Planung jedes Projektes muss eine passgenaue Strategie der Ansprache der jeweiligen →Zielgruppe und der angestrebten Reichweite entwickelt werden. Ebenfalls muss bereits bei der Planung die Methode der Evaluation berücksichtigt werden, um die Reichweite bewusst in die Gesamtheit der Lernziele einzuordnen. Das bedeutet, dass es im Vorfeld zu überlegen gilt, wie das Erreichen der Zielgruppe durch das erstellte Webvideo messbar ist. Das drückt sich nicht nur in Klickzahlen aus. Vielmehr geht es auch darum, ob sich etwa an der →Haltung bei der Zielgruppe etwas geändert hat.

Gerade in der Weiterbetreuung und aktiven Interaktion mit einer sekundären oder tertiären Zielgruppe liegt eine große Chance des Mediums, mehr Menschen als nur die am Projekt beteiligten zu erreichen. Daher ist es empfehlenswert, sich Ziele bezüglich der Reichweite eines Webvideoprojektes zu stellen und durch aktives Community-Management auf diese Ziele hinzuwirken.

Wenn ein Webvideoangebot die inhaltlichen und formalen Kriterien eines guten politischen Bildungsangebotes erfüllt, lohnt es sich auch, Zeit und Ressourcen in die Weiterverbreitung zu investieren. Ein Ziel wäre es also, für dieses Webvideo eine →Interaktion mit nicht am Video beteiligten Menschen aufzubauen, um eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Video und eventuelle Weiterentwicklung zu erreichen.

Grundlegende Maßnahmen zur Steigerung der Reichweite

Es gibt bestimmte grundlegende Maßnahmen, die helfen, die Reichweite von Webvideos zu erhöhen.

Damit ein Webvideo im Internet gefunden werden kann, sind Titelwahl, Teaser, Thumbnail und der Aufbau des Videos von elementarer Bedeutung. Titel und Teaser müssen kurz und prägnant sein und neugierig auf das Video machen. Der Thumbnail muss mit Bedacht ausgewählt werden und visuell ansprechend sein. Die ersten Sekunden des Videos sind von großer Bedeutung dafür, ob jemand ein Video weiterschaut. Dafür muss sofort deutlich werden, was die Zuschauenden im Video erwartet, wer im Video zu sehen ist oder welche Fragen beantwortet werden.

Um die Reichweite zu erhöhen, bieten sich Crosspostings auf mehreren Kanälen bzw. die Nutzung verschiedener Plattformen zur Verbreitung des Webvideos an. Inhalte, die beispielsweise bei YouTube nicht passen, könnten auf Facebook mehr Verbreitung finden. Eine gezielte Interaktion sowie Querverweise und Kommentare auf anderen Kanälen sind durchaus hilfreich. Wenn eine große Reichweite angestrebt wird, können auch Influencer*innen (YouTuber*innen, Instagrammer*innen) als Multiplikator*innen eingesetzt werden.

Reichweite erhöhen durch Interaktion

Wenn die Identifikation der am Prozess Beteiligten mit dem Webvideoprodukt hoch ist, ist zunächst die Weiterverbreitung durch die Beteiligten an ihre eigenen Peergruppen naheliegend. Dafür ist es aber notwendig, die Beteiligten im anschließenden Community-Management zu begleiten und zu unterstützen, insbesondere, wenn die Reaktionen auf das Video negativ sind. Es ist notwendig, hierfür Ressourcen im Projekt einzuplanen.

Handlungsaufforderungen in Form von Calls to Action im Video funktionieren ebenfalls gut, um Interaktion zu befördern. Das erreicht man, indem man im Video oder am Ende des Videos konkrete Fragen stellt, die die Rezipient*innen beantworten können, oder indem man sie konkret auffordert, ihre Meinungen in den Kommentaren abzubilden.

Generell belohnen die Plattformalgorithmen vermehrte Interaktion unter einem Video. Das bedeutet also, dass eine gut moderierte und aktivierende Interaktion in den Kommentarspalten die Chancen erhöht, dass andere Nutzer*innen das Video vorgeschlagen bekommen. Ein weiteres Kriterium etwa beim YouTube-Algorithmus ist die Watchtime, also wie lange ein Video durchschnittlich angesehen wird. Je länger die Watchtime, desto besser für ein Video. Gerade im Bildungsbereich ist es wichtig, dass Videos bis zum Schluss angeschaut werden, um wirklich die komplette Botschaft des Videos zu erfassen.

Auf Plattformen wie Instagram ist es wichtig, mit spannenden Hashtags zu arbeiten, um die Auffindbarkeit des Videos zu garantieren. Ebenfalls lohnt es sich, auf ähnlichen Kanälen aktiv zu kommentieren, um die Aufmerksamkeit auf das eigene Video und den eigenen Kanal zu lenken.

Auseinandersetzung mit Reichweite als Teil des Bildungsprozesses

Die Frage der Reichweite sollte auch als Thema des Bildungsprozesses reflektiert werden.

Eine große Reichweite wird bei den allerwenigsten Videos „einfach so“ generiert. Viele Unternehmen, Organisationen und natürlich auch YouTuber*innen haben professionelle Social-Media- und Community-Management-Strategien und Expert*innen, die gezielt mit zur Verfügung stehenden Tools die Reichweite erhöhen.

Alle kommerziellen Webvideoplattformen bieten Analysetools an, die anhand von nutzungsbasierten Daten Hinweise darauf liefern, wie die Reichweite noch gesteigert werden kann. Unternehmen haben in vielen Fällen Ressourcen und spezifische Medienbudgets, um Inhalte gezielt für Zielgruppen zu platzieren, zum Beispiel über bezahlte Werbung. Bei YouTube gibt es die Möglichkeit, Videos zu monetarisieren, indem Werbung vor die eigentlichen Inhalte geschaltet wird.

Da in Bildungskontexten häufig mit Projektbudgets gearbeitet wird, sind Webvideos der politischen Bildung in der Regel nicht darauf angewiesen, monetarisiert zu werden.

Kommerzielle Webvideoplattformen verwenden verfügbare Daten ihrer Nutzer*innen, z. B. welche Inhalte geschaut werden, wie lange bestimmte Inhalte konsumiert werden, zu welchen Zeitpunkten oder an welchen Orten Inhalte konsumiert werden. Diese Daten werden dafür verwendet, Webvideoangebote noch spezifischer auf die möglichen Interessen der Nutzer*innen abzustimmen.

All diese Mechanismen gilt es im Rahmen des Bildungsprozesses mit den Teilnehmenden zu analysieren und zu reflektieren, um sie für die Thematik zu sensibilisieren und sie dabei zu unterstützen, sich mündig und selbstbestimmt in digitalen Räumen zu bewegen.