Kriterium Partizipation

Unter Partizipation verstehen wir die Beteiligung der Zielgruppe an Prozessen der Konzeption und Produktion, lernzielabhängig auch an der Kommunikation sowie der Evaluation von Webvideo mit dem Ziel der Mündigkeit. Davon unterscheiden wir →Interaktion als die Beteiligung an der Debatte über einen veröffentlichten Webvideobeitrag. Partizipation schafft die Grundlage für eine gemeinschaftliche Auseinandersetzung mit relevanten →Themen und die Erfahrung von demokratischer Selbstwirksamkeit. Sie verstärkt die Chance auf →Identifikation mit dem →Lernziel und dem Projektprozess und damit auch die Motivation für Partizipation.

Während jedes Projekt Partikularziele hat, sollten sich partizipatorische politische Bildungsprozesse mit Webvideo immer auf das Gesamtziel der Integration in gesellschaftliche Zusammenhänge richten.

Gelingende partizipatorische Bewegtbildung muss die Lebenswirklichkeit der →Zielgruppe berücksichtigen. Die Zielgruppe kann unter anderem durch Aktualität und Relevanz von behandelten Themen sowie durch Auswahl von Sprache und Format des Projektangebots erreicht werden. In allen Projektphasen sollte eine offene und inklusive Diskussionskultur vorhanden sein.

Arten der Partizipation in Bewegtbildungsprozessen

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Partizipationsprozesse in Bewegtbildung zu gestalten. In Bildungsprozessen mit geschlossenen Gruppen liegt der Fokus häufig auf der inhaltlichen Auseinandersetzung und Entwicklung eines bestimmten Themas, das über das Medium Webvideo Ausdruck findet und über Ausspielwege in Social-Media-Kanälen dann ein größeres Publikum finden kann. Besonders erfolgreich kann dieser Ansatz sein, wenn das Ergebnis dieses partizipativen Prozesses über bereits bestehende Kanäle ausgespielt wird. Es ist insbesondere für kleine Projekte schwer und meist nicht zielführend, neben der eigentlichen Prozessarbeit einen eigens für das Projekt erstellten Kanal mit entsprechender Reichweite aufzubauen, weil das häufig die vorhanden zeitlichen und finanziellen Ressourcen übersteigt. Gerade für Einzelprojekte kann die Kooperation mit bestehenden Kanälen zu einer größeren Reichweite führen.

Anders ist das bei Projekten oder Prozessen, bei denen die Entwicklung und Betreuung eines Social-Media-Kanals explizit im Lernziel inbegriffen ist und die notwendigen Ressourcen zur Verfügung stehen. In diesem Fall kann die Gruppe, die einen Bewegtbildinhalt partizipativ entwickelt und erstellt, auch an der Veröffentlichung, der anschließenden →Interaktion zum Inhalt sowie an der digitalen Weiterentwicklung des Themas durch die Community teilhaben und diese Prozesse steuern.

Ist die →Identifikation mit dem partizipativ erstellten Inhalt hoch, erhöht sich die Chance, dass die beteiligte Zielgruppe den Inhalt über die eigenen privaten Kanäle teilt und somit weitere Peers erreicht. Aus der medienpädagogischen Praxis wissen wir jedoch, dass das häufig nicht geschieht.

Für Creator*innen, die eigene Inhalte für ihre spezifische Zielgruppe, ihre Follower*innen erstellen, besteht die Möglichkeit, über partizipative Prozesse die Identifikation mit den Inhalten zu erhöhen. Das kann durch →Interaktion geschehen, indem man zum Beispiel die Community in bestimmte Aspekte der Produktion einbindet. Das kann die →Themenwahl sein oder spezifische Calls to Action, die Follower*innen dazu aufrufen, sich am Entstehungsprozess weiterer Bewegtbildungsinhalte zu beteiligen.

Potenziale und Herausforderungen von Partizipation in Bewegtbildungsprozessen

Die Potenziale von Partizipationsprozessen in Bewegtbildung liegen vor allen Dingen in einem hohen Maß an inhaltlicher Auseinandersetzung der beteiligten Gruppe. Mehrheitlich selbstgesteuerte und partizipative Prozesse führen zu einer präziseren Abbildung der Lebenswelt der beteiligten Gruppe. Das wiederum kann zu einer erhöhten Akzeptanz der partizipativ erstellten Inhalte bei denjenigen führen, die der gleichen Lebenswelt angehören und den Inhalt zum Beispiel über Social Media konsumieren.

Über partizipatorische Prozesse erhöht sich außerdem die Relevanz der gestellten Fragen für die Zielgruppe. Die Gruppe übernimmt selbst die Verantwortung für den Wissens- und Meinungsaustausch.

Bei allen Vorteilen, die Partizipation in Bewegtbildung hat, müssen auch die Herausforderungen beachtet werden. Partizipation in Bewegtbildung stellt das Subjekt und seine Entscheidungsmacht in den Mittelpunkt. Damit geht ein deutlicher Kontrollverlust einher.

Die Balance zwischen der Einbindung von Wünschen und Bedürfnissen der Teilnehmenden einerseits und den Projektzielen andererseits kann unter Umständen herausfordernd sein.

Plattformen wie YouTube sind primär auf kommerzielle Interessen und nicht auf gesellschaftliche Teilhabe ausgerichtet. Gerade für junge Menschen sind diese Plattformen aber fest in ihrem Medienhandeln verankert; sie bieten einen Rahmen, der die Wahrnehmung von Inhalten, Informationen und Meinungen filtert und zu ihrer alltäglichen Kommunikation, Interaktion und politischen Artikulation gehört. Bewegtbildung sollte Anlässe schaffen, kommerziell strukturierte Räume als solche zu erkennen und ihre Bedeutung für gesellschaftliche Prozesse zu hinterfragen.

Partizipative Projektphasen

Folgende Projektphasen sollte die Zielgruppe eigenständig und bewegtbildnerisch begleitet durchlaufen:

  • Ideen- und Themenfindung
  • Konzeptentwicklung, die die jeweiligen →Lernziele berücksichtigt, unter anderem das rechtliche Strukturwissen
  • Aktive Medienproduktion
  • Entscheidung über eine Veröffentlichung oder interne Präsentation des Videos
  • Wenn sich für eine Veröffentlichung entschieden wurde, muss Folgendes berücksichtigt werden: Entscheidung über die Plattform, die Lizenz, Moderation der Kommentare sowie Diskussion über mögliche Monetarisierung des Webvideos