Kriterium Identifikation

Bildungsprozesse sollen Teilnehmenden Erfahrungsräume öffnen. Erfolgreiche Bewegtbildung braucht entsprechend eine emotionale Bindung der Teilnehmenden an das Projekt, ob positiv oder negativ, ablehnend oder zustimmend. Ein Bildungsprozess wird durch Identifikation gestützt und gestärkt. Die Frage bei der Gestaltung von Bewegtbildungsprojekten muss daher lauten, ob sich ein Projekt oder Produkt tatsächlich an der Lebenswelt der Zielgruppe orientiert und von dieser als relevant betrachtet wird. Zu unterscheiden ist hier nach der Identifikation mit den eigenen Inhalten und der Identifikation mit Influencer*innen, Marken, Akteur*innen usw., die zunehmend eine größere Rolle spielt.

Eine zentrale Frage ist: Können die eigenen Interessen und Persönlichkeiten durch die Zielgruppe ausreichend eingebracht werden und ist das Thema relevant für sie? Je mehr Eigenes eingebracht werden kann, desto mehr Identifikation und Lebensweltorientierung wird ermöglicht.

Dem Aspekt der Diversität im Sinne von Heterogenität oder Vielfalt von Mitgliedern einer Gruppe kommt hier eine wichtige Rolle zu. Wenn das Webvideoprodukt vielfältige gesellschaftliche Strukturen abbildet, z. B. in der Darstellung von Alter, Geschlecht, Herkunft, Bildung, Kompetenzen und Religionen, so ist die Chance auf Identifikation aller mit dem Webvideoprodukt höher. Bei der Bildwahl und -sprache eines Formats sollte daher darauf geachtet werden, dass das Webvideoprodukt nicht nur einseitig z. B. gesellschaftlich privilegierte Positionen zu Wort kommen lässt.

Prozess vs. Produkt

Prozess und Produkt stehen in einem Wechselverhältnis: Ein guter Prozess begünstigt ein gutes Endprodukt. Motivation entsteht durch die Identifikation mit dem eigenen Produkt (intrinsische Motivation). Nur durch Identifikation und Motivation ist ein gelingender Bildungsprozess möglich. Ein „Das haben wir / habe ich geschafft!“ trägt enorm zur Identifikation bei.

Es gilt abzuwägen, inwiefern die Prozesse während eines Webvideoprojektes abgeschlossen werden können und ob der Fokus stärker auf dem Ergebnis (z. B. dem fertigen Video) oder dem Prozess bzw. den Lernerfahrungen liegen soll. Je nach Zielgruppe, Lernzielen, finanziellen sowie personellen Rahmenbedingungen und Bedürfnissen der Teilnehmenden können hier ganz unterschiedliche konzeptuelle Gewichtungen Sinn ergeben. Wenn das Ergebnis eines Webvideos mehr im Fokus steht, dann sollten Inhalte so gestaltet werden, dass die Teilnehmenden sich damit identifizieren können und diese Inhalte gegebenenfalls auch teilen (→Interaktion), um entsprechend Reichweite zu generieren.

Mit der Veröffentlichung eines Videos gehen verschiedene Herausforderungen einher, die ein gutes →Community-Management erfordern, um mit Konfrontationen, Kritik bis hin zu Hatespeech umgehen zu können.

Emotionalität und eigene Positionen

Über eine emotionale Ansprache kann eine bessere Positionierung und Identifikation mit dem Projekt und Produkt ermöglicht und der Lernprozess gefördert werden. Ein spielerischer und niedrigschwelliger Ansatz kann motivieren und Begeisterung fördern.

Die Unterscheidung zwischen eigenen Positionen der Teilnehmenden und denen von Influencer*innen, Marken und Akteur*innen sollte im Bildungsprozess thematisiert werden. Auch könnten Akteur*innen oder Marken kritisch beleuchtet und reflektiert werden: Was ist meine Meinung? Was übernehme ich? Womit identifiziere ich mich?